Голем - страница 4

стр.

Sie sorgt für die beiden Jungen, das heißt: sie gewährt ihnen Unterkunft; dafür müssen sie ihr abliefern, was sie gelegentlich stehlen oder erbetteln. —

Ob sie ihnen wohl auch zu essen gibt? Ich konnte es mir nicht denken, denn erst spät abends kommt die Alte heim.

Leichenwäscherin soll sie sein.

Loisa, Jaromir und Rosina sah ich, als sie noch Kinder waren, oft harmlos im Hof zu dritt spielen.

Die Zeit aber ist lang vorbei.

Den ganzen Tag ist Loisa jetzt hinter dem rothaarigen Judenmädel her.

Zuweilen sucht er sie lange umsonst, und wenn er sie nirgends finden kann, dann schleicht er sich vor meine Tür und wartet mit verzerrtem Gesicht, daß sie heimlich hierher komme.

Da sehe ich ihn, wenn ich bei meiner Arbeit sitze, im Geiste draußen in dem winkligen Gange lauern, den Kopf mit dem ausgemergelten Genick horchend vorgebeugt.

Manchmal bricht dann durch die Stille plötzlich ein wilder Lärm.

Jaromir, der taubstumm ist, und dessen ganzes Denken eine ununterbrochene wahnsinnige Gier nach Rosina erfüllt, irrt wie ein wildes Tier im Hause umher, und sein unartikuliertes heulendes Gebell, das er, vor Eifersucht und Argwohn halb von Sinnen, ausstößt, klingt so schauerlich, daß einem das Blut in den Adern stockt.

Er sucht die beiden, die er stets beieinander vermutet – irgendwo in einem der tausend schmutzigen Schlupfwinkel versteckt – in blinder Raserei, immer von dem Gedanken gepeitscht, seinem Bruder auf den Fersen sein zu müssen, daß nichts mit Rosina vorgehe, von dem er nicht wisse.

Und gerade diese unaufhörliche Qual des Krüppels ist, ahnte ich, das Reizmittel, das Rosina antreibt, sich stets von neuem mit dem andern einzulassen.

Wird ihre Neigung oder Bereitwilligkeit schwächer, so ersinnt Loisa immer wieder besondere Scheußlichkeiten, um Rosinas Gier von neuem zu entfachen.

Da lassen sie sich scheinbar oder wirklich von dem Taubstummen ertappen und locken den Rasenden heimtückisch hinter sich her in dunkle Gänge, wo sie aus rostigen Faßreifen, die in die Höhe schnellen, wenn man auf sie tritt, und eisernen Rechen – mit den Spitzen nach oben gekehrt – bösartige Fallen errichtet haben, in die er stürzen muß und sich blutig fällt.

Von Zeit zu Zeit denkt sich Rosina, um die Folter aufs äußerste anzuspannen, auf eigene Faust etwas Höllisches aus.

Dann ändert sie mit einem Schlage ihr Benehmen zu Jaromir und tut, als fände sie plötzlich Gefallen an ihm.

Mit ihrer ewig lächelnden Miene teilt sie dem Krüppel hastig Dinge mit, die ihn in eine fast irrsinnige Erregung versetzen, und sie hat sich dazu eine geheimnisvoll scheinende, nur halbverständliche Zeichensprache ersonnen, die den Taubstummen rettungslos in ein unentwirrbares Netz von Ungewißheit und verzehrenden Hoffnungen verstricken muß. —

Einmal sah ich ihn im Hofe vor ihr stehen, und sie sprach mit so heftigen Lippenbewegungen und Gestikulationen auf ihn ein, daß ich glaubte, jeden Augenblick würde er in wilder Aufregung zusammenbrechen.

Der Schweiß lief ihm übers Gesicht vor übermenschlicher Anstrengung, den Sinn der absichtlich so unklaren, hastigen Mitteilungen zu erfassen.

Und den ganzen folgenden Tag lauerte er dann fiebernd in Erwartung auf den finsteren Stiegen eines halb versunkenen Hauses, das in der Fortsetzung der engen, schmutzigen Hahnpaßgasse liegt, – bis er die Zeit versäumt hatte, sich an den Ecken ein paar Kreuzer zu erbetteln.

Und als er spät abends halbtot vor Hunger und Aufregung heim wollte, hatte ihn die Pflegemutter längst ausgesperrt. —

Ein fröhliches Frauenlachen drang aus dem anstoßenden Atelier durch die Mauern herüber zu mir.

Ein Lachen! – In diesen Häusern ein fröhliches Lachen? Im ganzen Getto wohnt niemand, der fröhlich lachen könnte.

Da fiel mir ein, daß mir vor einigen Tagen der alte Marionettenspieler Zwakh anvertraute, ein junger, vornehmer Herr hätte ihm das Atelier teuer abgemietet – offenbar, um mit der Erwählten seines Herzens unbelauscht zusammenkommen zu können.

Nach und nach, jede Nacht, müßten nun, damit niemand im Hause etwas merke, die kostbaren Möbel des neuen Mieters heimlich Stück für Stück hinaufgeschafft werden.